Herausfordernde wirtschaftliche Zeiten - worauf Aufsichtsräte in der Bilanz besonders achten sollten, von Dr. Carola Rinker (Bilanzexpertin, Mitglied bei ArMiD)

Herausfordernde wirtschaftliche Zeiten - worauf Aufsichtsräte in der Bilanz besonders achten sollten, von Dr. Carola Rinker (Bilanzexpertin, Mitglied bei ArMiD)

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wächst die Versuchung, Unternehmensbilanzen aufzuhübschen. Schließlich wollen die Aktionäre sprudelnde Gewinne sehen. Die langanhaltende Niedrigzinsphase im letzten Jahrzehnt hat darüber hinaus dazu geführt, dass Geld nichts gekostet hat. Seit letztem Jahr hat sich dies geändert. Dadurch steigt der Druck seitens der Unternehmen noch mehr, tolle Bilanzen zu präsentieren. In diesem Artikel erhalten Sie drei Tipps, worauf Sie beim Lesen von Bilanzen besonders achten sollten. 

Tipp 1: Nicht nur den Gewinn betrachten, sondern auch den Cashflow
Eine amerikanische Börsenweisheit besagt „Gewinn ist Ansichtssache, Cashflow Tatsache.“ Durch die Ausnutzung von Ermessensspielräumen, Ausübung von Bilanzierungswahlrechten und Bilanzkosmetik kann der Gewinn aufgehübscht werden. Der Cashflow hingegen ist hier viel robuster: Er zeigt die Zahlungsflüsse im Unternehmen.

Entscheidend hierbei ist vor allem auch, ob der Jahresabschluss nach HGB oder IFRS aufgestellt wurde. Denn die beiden Rechnungslegungssysteme unterscheiden sich in einigen Punkten wesentlich. So wird beispielsweise der Geschäfts- oder Firmenwert, der beim Unternehmenskauf entsteht, nur nach HGB jährlich abgeschrieben. Nach IFRS hingegen gibt es keine jährliche Abschreibung, sondern nur einen sogenannten Werthaltigkeitstest. Durch die hohen Kaufpreise der letzten Jahre, die durch die langanhaltende Niedrigzinspolitik der EZB befeuert wurden, gibt es insbesondere in IFRS-Bilanzen hohe Geschäfts- oder Firmenwerte. Durch die steigenden Zinsen besteht die Gefahr von Wertkorrekturen, da diese bei der Überprüfung der Werthaltigkeit herangezogen werden.

Seien Sie besonders dann kritisch, wenn die ausgewiesenen Gewinne und die Liquiditätszuflüsse kein einheitliches Bild zeigen. Lassen Sie sich erklären, welche Geschäftsvorfälle dem zugrunde liegen. 

Tipp 2: Gewinne werden nicht durch Umsatzerlöse erwirtschaftet
Der Verkauf einer Immobilie oder ein Firmenverkauf führen möglicherweise zu einem positiven Einmaleffekt. Wenn der Verkaufspreis höher ist als der Buchwert, ergibt sich daraus buchhalterisch ein Gewinn. Dieser wird als sonstiger betrieblicher Ertrag in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst. Entweder wird dadurch der Gewinn erhöht oder sogar ein Verlust vermieden.

Auf den ersten Blick verbessert sich dadurch die Liquiditätslage des Unternehmens. Wenn jedoch Tafelsilber verkauft wird, kann dies gefährlich sein: Denn dieses kann nur einmal veräußert werden. Besonders genau sollten Sie hinschauen, wenn das veräußerte Tafelsilber für die Produktion benötigt und zurückgemietet werden muss.

Wenn auch dem Unternehmen viel Liquidität zufließen mag und der Gewinn einmalig gepusht wird, lassen sich dadurch keineswegs dauerhafte Probleme lösen. Fragen Sie daher kritisch nach, wenn die Umsatzerlöse nicht zu einem Gewinn führen, sondern nur zu sonstigen betrieblichen Erträgen.

Tipp 3: Hohe Zinslast bei Prolongation von Darlehen
Einige Unternehmen haben in den letzten Jahren vermehrt Kredite aufgenommen. Dies lag mitunter auch an den günstigen Konditionen. Dies hat sich seit dem letzten Jahr nun schlagartig geändert. Die Zinsen sind sprunghaft angestiegen. Stehen in naher Zukunft Prolongationen der laufenden Darlehen an, werden die Konditionen daher vermutlich deutlich schlechter sein als dies zuvor der Fall war. 

Daher lohnt sich der genaue Blick auf den Zeitpunkt des Auslaufen der laufenden Darlehens-Zinsbindung. So stellt sich beispielsweise schnell die wichtige Frage, ob ausreichend Liquidität vorhanden ist das Darlehen nach Ablauf der Zinsbindung abzulösen, anstatt es zu prolongieren. 

Bei Zins und Tilgung muss noch ein wesentlicher Punkt beachtet werden: Lediglich die Zinszahlungen mindern den Gewinn, doch der Cashflow wird durch Zins und Tilgung belastet. Dies führt uns wieder zurück zum ersten Tipp: Dadurch ergibt sich ein Unterschied zwischen Gewinn und Cashflow, der sich jedoch leicht erklären lässt.

Fazit: Stellen Sie Fragen zum Jahresabschluss. Vor allem auch zu Themen, die Ihnen unklar sind. Scheuen Sie sich nicht davor, sich Fachbegriffe erläutern zu lassen. Eventuell lohnt es sich auch, selbst zur Lektüre eines Buches zu greifen. 

Neben anderen Betrachtungen ist im letzten Jahr auch das neue Buch von Dr. Carola Rinker zu diesem Thema erschienen „Bilanzpolitik - Bilanzkosmetik - Bilanzfälschung: Gestaltungsspielräume nutzen und Manipulation erkennen“. Hier können Sie einige Praxisbeispiele finden.

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